Inanspruchnahme von Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung: Viel „Luft nach oben“
Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat einen neuen Bericht zur Entwicklung Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch AOK-Versicherte im Erwachsenenalter in den Jahren 2009 bis 2020 vorgelegt. Es zeigt sich, dass ein relevanter Teil der anspruchsberechtigten AOK-Versicherten über einen Zeitraum von zehn Jahren von der Krebs-Früherkennung noch nicht bzw. nur begrenzt erreicht wird. In der Phase der Pandemie kam es darüber hinaus zu Fallzahleinbrüchen bei der Krebsfrüherkennung, die gesundheitliche Folgen befürchten lassen. Die Ergebnisse dieser WIdO-Analysen wurden am 20. Oktober im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz des AOK-Bundesverbandes und des WIdO vorgestellt.
Langzeit-Auswertungen zeigen Luft nach oben
Nur etwa die Hälfte der anspruchsberechtigten Menschen, die im vergangenen Jahr 65 Jahre alt waren, wurde in den vergangenen zehn Jahren von der Darmkrebs-Früherkennung erreicht. Auch bei der Prostatakrebs-Früherkennung wurden die anspruchsberechtigten Männer insgesamt eher selten erreicht: So nahmen in der Altersgruppe zwischen 54 und 70 nur knapp ein Drittel der Männer in mindestens drei der vergangenen zehn Jahre an der Früherkennung teil. Beim Hautkrebs-Screening nahmen 13 Prozent der Männer und 16 Prozent der Frauen zwischen 45 und 70 Jahren im betrachteten Zehn-Jahres-Zeitraum die Früherkennung mindestens vier Mal in Anspruch. Anders sieht es bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs aus: Über 80 Prozent der Frauen zwischen 29 und 40 haben den Empfehlungen entsprechend in mindestens drei von zehn Jahren dieses Angebot einer Früherkennungsuntersuchung wahrgenommen. Auch beim Mammographie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs, das in Deutschland schon seit 2009 flächendeckend umgesetzt wird, sind recht hohe Teilnahequoten zu verzeichnen: Ein Viertel der anspruchsberechtigen Frauen nahm im betrachteten Zeitraum aber nicht teil.
Deutliche Rückgänge von bis zu 20 Prozent in der Pandemie
Besonders starke Rückgänge waren im „Pandemie-Jahr“ 2020 bei der Früherkennung von Hautkrebs (minus 19,8 Prozent gegenüber 2019) zu verzeichnen. Dieser Trend setzte sich auch im 1. Quartal 2021 mit minus 20,8 Prozent fort. Die WIdO-Auswertung auf Basis der GKV-Frequenzstatistik zeigt für das Jahr 2020 auch beim Mammographie-Screening sowie bei der Prostatakrebs-Früherkennung deutliche Rückgänge der Teilnahmequoten gegenüber dem Vorjahr um jeweils 8,1 Prozent. Bei der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs waren es minus 5,5 Prozent. Lediglich bei den Koloskopien zur Früherkennung von Darmkrebs war trotz Rückgängen in der ersten Pandemiewelle in der Jahresbilanz sogar ein leichter Anstieg um 2,1 Prozent in der GKV festzustellen. Auf die Früherkennung entfällt jedoch nur ein kleiner Teil aller Koloskopien, insgesamt verzeichneten die Darmspiegelungen etwa bei den AOK-Versicherten im Jahr 2020 einen Rückgang um 6,5 Prozent gegenüber 2019 (Früherkennung plus 3,2 Prozent).
Die Rückgänge bei der Diagnostik wie auch spiegelbildlich gesunkene Fallzahlen bei den Krebsoperationen im Krankenhaus lassen gesundheitliche Folgen befürchten. So zeigt sich auf Basis der AOK-Abrechnungsdaten im gesamten Pandemie-Zeitraum von März 2020 bis Juli 2021 ein Rückgang der Zahl der Darmkrebs-Operationen um 13 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2019. Bei den Brustkrebs-OPs ist ein Rückgang um 4 Prozent zu verzeichnen. Dies könne sich mittelfristig in einem größeren Anteil höherer Schweregrade bei den Erkrankungen zeigen und auf die Sterblichkeit auswirken.